Sie zahlen vorschriftsgemäß Kindesunterhalt, fühlen sich von Gesetz und Recht jedoch enttäuscht? Sie verstehen nämlich nicht, dass Sie bedingungslos Unterhalt zahlen müssen, obwohl der Ex-Partner dreimal mehr verdient als Sie selbst? Das ureigene Gerechtigkeitsempfinden sagt einem diesbezüglich doch spontan – das kann nicht angehen! Es gibt tatsächlich Konstellationen, in denen der dreimal weniger verdienende Partner keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen braucht. Um den betreuenden Elternteil am Barunterhalt Ihres gemeinsamen Kindes mindestens zu beteiligen, ist der erste Schritt immer eine Unterhalts(neu)berechnung. Alles zu diesem Thema lesen Sie hier.
Was ist, wenn der Partner dreimal mehr verdient als Sie selbst?
Auf das Einkommen des betreuenden Elternteils kommt es normalerweise gar nicht an, wenn die Unterhaltshöhe bestimmt wird. Davon erkennt die Rechtsprechung aber Ausnahmen an, zum Beispiel dann, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil deutlich weniger verdient und ein finanziell extremes Ungleichgewicht zwischen den Elternteilen besteht. Dann kann sich die Barunterhaltspflicht vollständig oder zumindest teilweise auf den betreuenden Elternteil verlagern.
Der Teufel steckt dabei natürlich wie immer im Detail. Aber keine Angst – auch wenn Sie nach dem Studieren der Details immer noch nicht weiter wissen, erfahren Sie spätestens nach dem Beantragen einer Unterhaltsberechnung (für die Sie noch nichts zahlen), ob Ihr Gehaltsgefüge Chancen für eine Änderung in den Zahlungsanteilen birgt.
Welche Voraussetzungen verpflichten auch den Partner zum Barunterhalt?
Es gibt in der Rechtsprechung keine klare Linie, wann genau ein solches erhebliches finanzielles Ungleichgewicht anzunehmen ist. Es finden sich eine Reihe von Einzelfallentscheidungen, in denen die Umstände des jeweiligen Einzelfalls dazu geführt haben, dass sich auch der betreuende Elternteil am Barunterhalt des Kindes beteiligen musste. Daraus lässt sich aber nicht pauschal ableiten, wann eine Beteiligung zwingend ist. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an.
Um den betreuenden Elternteil am Barunterhalt zu beteiligen, spielen im Hinblick auf die Einzelentscheidungen der Gerichte zumindest folgende Voraussetzungen eine gewichtige Rolle:
- Der betreuende Elternteil verfügt um ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen.
- Die Einkommensdifferenz beider Elternteile beträgt mindestens 500 €.
- Das dreimal höhere Nettoeinkommen wird dauerhaft erzielt und ist nicht das Ergebnis einmaliger Vergütungen.
- Der betreuende Elternteil verfügt über ein erheblich höheres Vermögen und ist in der Lage, unter Berücksichtigung sonstiger finanzieller Verpflichtungen auch Barunterhalt zu leisten.
- Verfügt der betreuende Elternteil über ein 50 % höheres Einkommen, kann der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils angehoben werden. Dies kann dazu führen, dass das verfügbare Einkommen geringer ausfällt und weniger Kindesunterhalt zu leisten ist.
Welche Einzelfälle haben die Gerichte bislang entschieden?
Gerichtsentscheidungen sind im Regelfall immer Einzelfallentscheidungen. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, lassen sich daraus immerhin mehr oder weniger verbindliche Feststellungen herauslesen, die sich auf andere Fälle übertragen lassen. Letztlich kommt es aber immer auf eine Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls an. Die Abwägung kann in die eine oder andere Richtung ausschlagen. Zweifeln Sie Ihre Unterhaltspflicht wegen des höheren Verdienstes des betreuenden Elternteils an, kommt es entscheidend auf Ihre Begründung an, aus der sich die Ungerechtigkeit zu Ihren Lasten ergibt. Die zu der Thematik bestehende Rechtsprechung ist Grundlage Ihrer Argumentation.
Betreuender Elternteil muss neben dem Geldverdienen auch noch betreuen und erziehen können
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Ungleichgewicht anzunehmen sein, wenn der betreuende Elternteil ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen und ein erheblich höheres Vermögen hat als der nicht betreuende Elternteil. Ist der betreuende Elternteil in der Lage, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch Barunterhalt zu bezahlen, erscheint es jedenfalls gerecht, den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu entlasten (BGH FamRZ 2013, 1558).
Indirekte Unterhaltsbefreiung des zahlungspflichtigen Elternteils
In einer früheren Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof anerkannt, dass der Selbstbehalt (Eigenbedarf) des unterhaltspflichtigen Elternteils angehoben werden kann, wenn der betreuende Elternteil über ein um 50 % höheres Einkommen verfügt als der nicht betreuende und damit barunterhaltspflichtige Elternteil (BGH, Urteil vom 4.5.2011, Az. XII ZR 70/09). In diesem Fall könne die Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfallen, vor allem, wenn dieser finanziell nicht leistungsfähig sei.
Sonderfall: Beides Gutverdiener, ein Elternteil aber in der Gründerphase
Auch das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 4.12.2015, Az. 20 UF 875/15) hatte klargestellt, dass ein betreuender Elternteil trotz der Betreuung des Kindes gegenüber dem Kind in voller Höhe barunterhaltspflichtig sein kann, wenn er etwa dreimal so viel verdient wie der barunterhaltspflichtige Elternteil. Im Fall war der betreuende Elternteil als Arzt tätig und hatte ein um mehr als dreifaches Einkommen als die barunterhaltspflichtige Mutter.
Allerdings war bei diesem Fall die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die an sich barunterhaltspflichtige Mutter als angestellte Rechtsanwältin tätig war und sich nach der Kündigung selbstständig machte. In der Gründungsphase hatte sie nur eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten.
500 EUR müssen mindestens dazwischen liegen
Das Oberlandesgericht Schleswig (FamRZ 2014, 1643) stellte darauf ab, dass die Einkommensdifferenz mindestens 500 € betragen müsse. Sei der Einkommensunterschied geringer, könne allenfalls eine anteilige Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils in Betracht gezogen werden.
Wie sollten Sie unterhaltspflichtiger Elternteil vorgehen?
Sehen Sie sich im Hinblick auf den höheren Verdienst des betreuenden Elternteils als barunterhaltspflichtiger Elternteil benachteiligt, sollten Sie den betreuenden Elternteil in einem ersten Schritt auffordern, genaue Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen. Bei einer durch einen Anwalt durchgeführten Unterhaltsberechnung kann auch dieser das für Sie übernehmen.
Berücksichtigen Sie, dass Sie im Hinblick auf die vermeintlich höheren Einkünfte des betreuenden Elternteils in der Beweispflicht stehen. Sie müssen also beweisen, dass und wie viel der betreuende Elternteil mehr verdient als Sie selbst. Es genügt nicht, dass Sie einfach nur behaupten, dass der betreuende Elternteil wesentlich mehr oder umgekehrt, dass Sie wesentlich weniger verdienen. Beachten Sie dabei, dass Sie auch selber auskunftspflichtig sind und auch der betreuende Elternteil als gesetzlicher Vertreter des zu betreuenden Kindes Auskunft über Ihr Einkommen verlangen kann.
Erst nach Auskunftserteilung wissen Sie zuverlässig, ob die Einkommensdifferenz wirklich so hoch ist, dass der betreuende Elternteil an der Barunterhaltspflicht für das Kind zu beteiligen ist. Für Ihre Position spricht, wenn Sie den eigenen angemessenen Selbstbehalt gefährden und damit bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts eventuell selbst finanziell bedürftig würden (OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 347).
GUT ZU WISSEN
Eigene Erwerbstätigkeit bedingt erst die Befreiung
Voraussetzung, um als barunterhaltspflichtiger Elternteil Ihre unzumutbare Belastung darzustellen und einen Ausnahmefall zu begründen, ist, dass Sie erwerbstätig sind und in der Regel vollschichtig arbeiten. Sie sollten also nicht anstreben, Ihre Arbeitszeit zu reduzieren und damit die Erwartung verbinden, dass Sie mit der Reduzierung der Arbeitszeit auch Ihre Barunterhaltspflicht reduzieren und insoweit den besser verdienenden betreuenden Elternteil in die Pflicht nehmen können. Ausnahmen sind nur denkbar, wenn Sie nachweisbar keinen Vollarbeitsplatz finden oder aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt erwerbstätig sein können.
Wie könnte sich der dreimal mehr verdienende Elternteil rechtfertigen?
Der betreuende Elternteil wird sich auf den Grundsatz des Unterhaltsrechts berufen, dass er oder sie allein durch die Betreuung bereits einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt des Kindes leistet. Da das Kind im Haushalt wohnt und dort verpflegt und verköstigt wird, ist der Betreuungsaufwand unabhängig vom Einkommen des betreuenden Elternteils dem Barunterhalt des nicht betreuenden Elternteils gleichgestellt. Da der Betreuungsaufwand als besondere Belastung zu berücksichtigen ist, könnte sich eine darüberhinausgehende Beteiligung am Barunterhalt als unzumutbare Belastung darstellen.
Gleiches dürfte anzunehmen sein, wenn der Elternteil ein Kleinkind bis zum dritten Lebensjahr betreut und deshalb eigentlich gar nicht berufstätig sein müsste. Ist der betreuende Elternteil dann dennoch berufstätig, dürften seine Einkünfte überobligatorischer Natur sein, so dass dieses Einkommen beim Einkommensvergleich der Eltern allenfalls teilweise Berücksichtigung finden kann.
Rettungsanker: Ab Volljährigkeit sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig
Lässt sich für das minderjährige Kind kein Ausnahmefall begründen, gibt es einen letzten Rettungsanker für Sie. Die Betreuungspflicht des betreuenden Elternteils entfällt nämlich, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet und volljährig wird.
Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig und leisten Unterhalt im Verhältnis ihrer Einkommen. Dann spielt auch die Höhe des Einkommens des bislang betreuenden Elternteils eine Rolle. Hat also der betreuende Elternteil ein dreifach höheres Einkommen als Sie selbst, schlägt sich dieses hohe Einkommen auch in der Barunterhaltspflicht nieder.
Sie können Ihre Situation nicht sicher beurteilen? Wir helfen Ihnen!
Verdient Ihr das gemeinsame Kind betreuende Ex-Partner mehr Geld als Sie, ist das zunächst nur das erste Indiz dafür, dass Sie womöglich weniger Unterhalt zahlen dürfen. Auch wenn es sich mit Gewissheit um das Dreifache handelt, müssen Ihrer beider Gehälter noch „bereinigt“, das heißt, um abzugsfähige Positionen gemindert werden. Klingt kompliziert? Vorschlag: Füllen Sie einfach schon einmal unser Online-Formular zur Beantragung einer Unterhaltsberechnung oder –überprüfung aus, und in einem freundlichen Telefonat erfahren Sie im Anschluss kostenlos, ob sich die Überprüfung überhaupt lohnen könnte. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!